geboren: 03.09.1863, in: Vestre Gausdal
gestorben: 10.01.1953, in: Oslo
norwegischer Lehrer, Theater- und Literaturkritiker, Schriftsteller
Obgleich Hans Aanrud Norweger war, hatte er dennoch auf verschlungenem Wege mit Deutschland zu tun.
Realismus oder Romantik?
In den Kinderbüchern, Komödien und Tragödien schimmert die Herkunft von Hans Aanrud, der am 3. September 1863 in Vestre Gausdal geboren wurde, durch – er wuchs in einem Bergtal auf einem Bauernhof in Norwegen auf – das bäuerliche Leben war sein Thema.
Er beschreibt die Landschaften stimmungsvoll, Protagonisten sind häufig Kinder wie in „Storken“ (dt.: Der Storch), die Dialoge bestehen meist aus der Mundart und sind geprägt von schlichter und gemütlicher Ausdrucksweise. Handlungen, Landschaftsbeschreibungen und die literarischen Figuren bilden eine Einheit. Er wird von einigen Literaturhistorikern zum poetischen Realismus gezählt,║1aa wobei anzumerken sei, dass die Trennung in den skandinavischen Staaten zwischen Romantik und Realismus nur bedingt möglich ist.║2a Hans Aanrud weist in seiner Literatur romantische (wie zum Teil seine Landschaftsbeschreibungen) sowie Aspekte des Realismus auf (wie Kritik an Kirche in der Komödie Hanen║4a).
In der Komödie „Storken“ beispielsweise versucht einer der Protagonisten sich mit den bessergestellten Gesellschaftskreisen zu vernetzen, jedoch wird er aus dem Umfeld des Königshauses ausgenutzt. Die Handlung ist auf das Ende des 19. Jahrhunderts angelegt. In dieser Komödie, die zunächst für Erwachsene vorgesehen war dann aber zu einem beliebten Kinderbuch wurde, verspottet Hans Aanrud die verlogenen Verhaltensweisen der Bessergestellten. Der norwegische Schriftsteller „wünschte sich eine positive Beeinflussung des von ihm als wurzellos und morbid betrachteten Stadtlebens durch die gesunde und innerlich kraftvolle bäuerliche Welt, letztlich eine Annäherung der städtischen und der ländlichen Kultur.“ In „Sidsel Sidsærk“ sowie in „Sølve Solfeng“ handelt es sich um Bauernkinder, die unter erschwerten Bedingungen arbeiten müssen, dennoch überwiegt der Optimismus.║1ab
Obgleich Hans Aanrud dem bürgerlichen Bildungsroman mehr oder weniger eine Absage erteilte, so beteiligte er sich literarisch – teilweise absichtslos – an kindgerechter Literatur.
In der Hauptstadt
Hans Aanrud besuchte eine Lateinschule, verdiente anschließend zunächst seinen Lebensunterhalt als Privatlehrer. Seine ersten Geschichten erschienen 1888 in „Nyt Tidsskrift“. Es handelte sich hierbei um kurze Humoresken wie „Hvordan Vorherre fik Høet til Amund Bergemellom“ (deutsch in etwa: Wie unser Herr Amund Bergemellom das Heu besorgt hat).║4b
Als seine schriftstellerische Tätigkeit erste Erfolge aufwies, zog er nach Oslo um, schrieb ab 1890 Theater- und Literaturkritiken,║4c wurde von 1911 bis 1923 literarischer Berater am Osloer Nationaltheater.║1ac
Er gilt neben dem Dichter und Literaturnobelpreisträger Bjørnstjerne Martinius Bjørnson als Begründer der sogenannten „norwegischen Heimatliteratur“.║4d
Übersetzungen
Teile seines Werkes wurden in den verschiedenen skandinavischen Sprachen, ins Englische sowie ins Deutsche übersetzt. Vor allem während des Nationalsozialismus waren seine Bücher in Deutschland beliebt, dass vor allem mit der Ideologie des Faschismus zusammenhing: „Rückbeziehung des Deutschen auf das Nordisch-Germanische.“ Dabei gingen die Ideologen davon aus, dass es zwischen Skandinavien und Deutschland einen gemeinsamen germanischen Ursprung gibt. Kinder- und Jugendliteratur aus Skandinavien, insbesondere aus Norwegen, war besonders beliebt, vor allem solche, die entweder Historisches beinhaltete oder wie im Fall von Hans Aanrud, Protagonisten aus dem Milieu der Bauern zum Gegenstand der Handlung wurde, die trotz alledem stark waren.║3
Hans Aanrud starb am 10. Januar 1953 in Oslo. Er gehört nicht gerade zu den bedeutendsten norwegischen Schriftstellern, doch sein Humor imponiert.
Werksübersicht (Auswahl):
1888: Hvordan Vorherre fik Høet til Amund Bergmellom, in: Nyt Tidsskrift (Journal)║5a
1891: Fortællinger (dt. in etwa: Erzählungen), in: Gyldendal║4e
1892: Fra Svipop til Venaasen (Geschichten, dt. in etwa: Von Svipop nach Venaasen), in: Gyldendal║4f
1893: Historisk forelæsning ved Helsingfors høiskole (dt. in etwa: Historischer Vortrag)║6a
23.10.1895: Lindbergs Selskab, Rezension zum Theaterstück „Brand“ von Kristiania, in: Norwegian Intelligence Notes║7
1895: Storken (Komödie in drei Akten), in: Gyldendal║1ad
1896: En Vinternat og andre Fortællinge (Erzählungen), in: Gyldendal║1ae
1896: Fortællinger for store og små (Geschichten, dt. in etwa: Große Schalen. Geschichten für Groß und Klein)║6b
1896: Storkarer (deutsch in etwa: Große Karren), Kinderbuch , in: Aschehoug║5b
1897: Selvraaden (Tragödie, dt. in etwa: Das Selbstwertgefühl), in: Feilberg og Landmarks Vorlag║6c
1898: Hanen (Komödie), in: Gyldendal║1af
1901: Høit tilhest (Komödie in vier Akten, dt. in etwa: Hoch zu Pferd), in: Gyldendal║6d
1901: Seminaristen og andre Fortællinger (Geschichten, dt. in etwa: Seminaristen und andere Geschichten), in: Gyldendal║4g
1903: Sidsel Sidsærk (Kinderbuch), in: Gyldendal║1ag
1906: Smaafæ, in: Gyldendal║6e
1906: Fortællinger I-II (Geschichten, dt. in etwa: Geschichten I – II), in: Gyldendal║6f
1910: Jungen (Geschichten)║1ah
1910: Sølve Solfeng (Kinderbuch), in: Gyldendal║1ai
1912: Farvel Fantdal (dt. in etwa: Auf Wiedersehen Fantdal), in: Gyldendal║4h
1912: Og Jokarene i Skarvangen (dt. in etwa: Jokarene in Skarvangen)║4i
1913: Fortællinger for barn I-II (Geschichten, dt. in etwa: Geschichten für Kinder I – II), in: Gyldendal║6g
1917: En odelsbonde og andre fortællinger for barn (dt. in etwa: Eine Kulturvarietät und andere Geschichten für Kinder), in: Gyldendal║4j
1921: Fyrabendsarbeide (2 Teile), in: Gyldendal║6h
1923: Fra fjeldbygden i ældre dage (dt. in etwa: Aus dem Bergdorf in älteren Tagen)║4k
1923: Jo-karerne i Skarvangen. Fra fjeldbygden i ældre dage, in: Gyldendal║6i
1926: Sølve Suntrap║1aj
1926: Omkring Stortinget og Folkeavstemningen (dt. in etwa: Um das Parlament und das Referendum), in: Gyldendal║6j
In deutscher Übersetzung liegen vor:
1896: Der Storch (Originaltitel: Storken), Komödie in drei Akten (für Kinder), übersetzt von Gustav Morgenstern║1ba
1906: Wie der liebe Gott Asmund Bergemellems Heu bekam (Originaltitel: Hvordan Vorherre fik Høet til Amund Bergmellom), in: Simplicissimus (Jg. 10, Heft 16, Seite 182 – 186)
1907: Sidsel Langröckchen (Originaltitel: Sidsel Sidsærk), übersetzt von Walther R. Schmidt, in: Merseburger, Leipzig║8
1907: Kroppzeug. Zwölf Geschichten von kleinen Menschen und Tieren (Kinderbuch), übersetzt von Walther R. Schmidt, in: Merseburger, Leipzig║9aa
1909: Erzählungen, übersetzt von Friedrich Leskien, in: Merseburger, Leipzig║9ba
1910: Jungen. 14 Geschichten von kleinen ganzen Kerlen (Originaltitel: Jungen), übersetzt von Friedrich Leskien, in: Merseburger, Leipzig║9bb
1911: Sölve Solfeng, das Sonntagskind (Originaltitel: Sølve Solfeng), übersetzt von Friedrich Leskien, in: Merseburger, Leipzig║9bc
1914: Wo der Schnee leuchtet. 15 Geschichten aus dem Nordland, übersetzt von Friedrich Leskien, in: Merseburger, Leipzig║9bd
1928: Eine Winternacht und andere Erzählungen (Originaltitel: En Vinternat og andre Fortællinge) Erzählungen für Kinder, übersetzt von Friedrich Leskien, in: Merseburger, Leipzig║9be
Uraufführungen:
27.03.1898: Storken (Komödie in drei Akten), in: Arbejdernes Teater║10
1 Wikipedia:
1aa, 1ab, 1ac, 1ad, 1ae, 1af, 1ag, 1ah, 1ai, 1aj: Vgl. Wikipedia (₪): Hans Aanrud, zuletzt besucht am 18.09.2019
1ba: Vgl. Wikipedia (₪): Gustav Morgenstern, zuletzt besucht 18.09.2019
2: Hrsg. Jürg Glauser: Skandinavische Literaturgeschichte, Verlag J.B. Metzler, Stuttgart – Weimar 2006, S. 137
3: Vgl. Norbert Hopster, Petra Josting, Joachim Neuhaus: Kinder- und Jugendliteratur 1933 – 1945. Band 2: Ein Handbuch, J.B. Metzler Verlag, Stuttgart – Weimar 2005, S. 570
4a, 4b, 4c, 4d, 4e, 4f, 4g, 4h, 4i, 4j, 4k: Vgl. Øystein Rottem (₪): Skandinavisches Lexikon (Übersetzung durch Google), Universitetet i Tromsø
5a, 5b: Vgl. Arnfinn Engen, norwegisch (₪): Hans Aanrud, zuletzt besucht am 18.09.2019
6a, 6b, 6c, 6d, 6e, 6f, 6g, 6h, 6i, 6j: Vgl. Tornado-Node (₪): Seine Adresse (Übersetzung durch Google, PDF-Datei)
7: Vgl. Hans Aanrud, norwegisch (₪): Lindbergs Selskab. Kristiania feirede igaar en Fest, 22.10.1895, zuletzt besucht am 18.09.2019
8: Vgl. Bettina Kümmerling-Meibauer: Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur. Ein internationales Lexikon, Band 1: A – G, Verlag J.B. Metzler – Stuttgart – Weimar, 2004, S. 3
9: Aiga Klotz: Kinder- und Jugendliteratur in Deutschland 1840–1950, Band IV, R – S, Verlag J.B. Metzler – Stuttgart – Weimar, 1994
9aa: S. 274
9ba, 9bb, 9bc, 9bd, 9be: S. 52
10: Vgl. Dänisches Autorenlexikon, dänisch (₪): Storken, zuletzt besucht 18.09.2019
Weblinks:
Vgl. Kunst braucht Zeit (₪): Hans Aanrud (Grafik)